Die Faehre Wyhlen-Pratteln

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Alte Industrie


Die Geschichte des Fährbetriebs zwischen der Anlegestelle Wyhlen, Am Schacht und Pratteln, Solbad

Kurt Paulus, für das Programmheft "Klassikanderswo" 2015

Ein schönes altes Wort sollte eigentlich wieder in Mode kommen: „freundnachbarlicher Verkehr“.

Es ist zu finden in der Präambel der „Concessionsurkunde“ vom 24. August 1874. Diese „Concession“ regelt den Betrieb einer Drahtseilfähre über den Rhein, zwischen Wyhlen und Schweizerhalle. Damals, bevor für die Wasserkraftwerke der Rhein aufgestaut wurde, hatte er eine ausreichende Strömung für den Betrieb diesen Fährentyps, wie er heut noch in Basel anzutreffen ist. Neben besagtem freundnachbarlichem Verkehr wurde die Fähre auch von Arbeitern aus beiden Ländern genutzt.

Die Statistik von 1890 besagt, dass in diesem Jahr 2610 Personen die Vorteile dieses Verkehrsmittels bevorzugt haben. Das mag nach wenig klingen, berücksichtigt man aber, dass Die Gemeinden Wyhlen und Pratteln zusammen nicht mehr als 4000 Einwohner hatten, wird die Beliebtheit dieser Verbindung aber klar. Die Konzession war auf das Salzwerk Wyhlen und die Salinendirektion Schweizerhalle ausgestellt. Dies ist ein Indiz dafür, dass ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse an einer Verkehrsverbindung bestand. In Wyhlen hatte man 1875 einen Salzstock gefunden und die Salzwerk Wyhlen AG begann ihn bergmännisch abzubauen. Gleichzeitig hatte man die Produktion von Soda aufgenommen.

Die Freude an der freundnachbarlichen Verbindung bestand für 40 Jahre von 1874 bis zum jähen Ende im Jahr 1914, als der erste Weltkrieg unendliches Leid über die europäischen Völker brachte. Nach diesem Krieg kam aber erneut der Gedanke an einer Wiederbelebung des Fährbetriebs auf. Es dauerte bis 1928, ehe man wieder die Abkürzung über den Strom nehmen konnte. Aber was schert es die Mächtigen, wenn freundnachbarliche Beziehungen bestehen – 1934 wurde die Fährverbindung erneut aufgehoben, denn man hatte großes vor mit Deutschland. Der Zweite Weltkrieg war die Folge dieses Wahns. Er endete 1945, die Verbindungen zwischen der Schweiz und Deutschland lagen auf Eis.

Die Gemeinden Pratteln und Wyhlen bemühten sich früh um eine Kontaktaufnahme.  Es wuchs das Verlangen nach einer Wiederaufnahme des Fährbetriebs, besonders von der wachsenden Zahl der beruflichen Pendler. Im September 1949 fand eine gemeinsame behördliche Besprechung mit dem Ziel einer Wiederaufnahme der Fährverbindung statt. Im Jahre 1950 arbeiteten in Pratteln, Muttenz und Birsfelden insgesamt 86 deutsche Grenzgänger, allein 53 in Pratteln. Der Weg über Basel war weit, und so wuchs die Einsicht in die Notwendigkeit, die Verbindung wieder zu beleben. Aber die Bedingungen begannen sich dramatisch zu ändern. Die Arbeiten am Kraftwerk Birsfelden (KWB) hatten begonnen, der Rhein wurde aufgestaut. Dadurch verlor die Strömung ihre Kraft, eine Drahtseilfähre würde nicht mehr funktionieren. Nur eine motorbetriebene Fähre wäre sinnvoll. In der Konzessionsurkunde für das KWB wurde dieses verpflichtet die Kosten für eine solche zu tragen.

Der erste Antrag für die Fähre an das Landratsamt Lörrach datiert vom 7. Oktober 1950. Nun hatten sich aber auch Grenzach und Muttenz um eine Wiederherstellung der Fährverbindung bemüht, die Fähre Herten-Augst war bereits genehmigt, sodass die Zollbehörden 1955 ihr Veto einlegten. Man wollte nur eine der beiden Verbindungen genehmigen, zumal man von Grenzach nach Muttenz ja in absehbarer Zeit über den Fußgängersteg beim Kraftwerk gelangen könnte. Die Bürgermeister, Boll von Wyhlen und Ewelshäuser, Grenzach wandten sich an höchste Regierungsstellen in Bonn, die schließlich dafür sorgten, dass beide Grenzübergangsstellen genehmigt wurden.

Im Gemeinsamen Amts­blatt des Landes Baden-Württemberg vom 8. Mai 1957 wurde folgende Bekanntmachung des Innenministeriums über die Zulassung der Anlege­stellen der Rheinfähren Grenzach - Muttenz und Wyhlen - Pratteln als Grenzübergangsstellen" veröffentlicht:

"Die deutschen Anlegestellen der Rheinfähren von Grenzach nach Muttenz und von Wyhlen nach Pratteln sind als Grenzübergangsstellen für den großen Reiseverkehr mit der Schweiz zugelassen worden.“  

Da Grenzach bereits ein Fährboot besaß, konnte der Fährbetrieb bereits am 1. Juni 1957  von Bürgermeister Ewelshäuser feierlich eröffnet werden.

 

 

 

 

Ein Problem musste noch gelöst werden: wie konnte ein ordnungsgemäßer Zollbetrieb gewährleistet werden? Die Oberfinanzdirektion beharrte darauf, dass nur ein Zollbeamter abgeordnet werden könne. Wie aber konnte ein Beamter beide Fähren überwachen? Eine stichprobenartige Überwachung wurde von der Oberfinanzdirektion abgelehnt. Man kam überein, die Fahrzeiten so abzustimmen, dass immer nur eine Fähre in Betrieb ist. Für den Zollbeamten musste mindesten eine Stunde bleiben, seinen Standort zwischen Grenzach und Wyhlen zu wechseln. Die Schweizer Gemeinden stimmten dem Fahrplan mit kleinen Änderungen zu.

Fahrzeiten werktags:

Wyhlen-Pratteln 6:30, 8:00 Uhr, 12:00, 14:00, 17:30 und 19:00 Uhr

Grenzach-Muttenz 9:00, 10:00, 14:30, 15:30, 19:30 und 20:30 Uhr

Im Gemeinsamen Amts­blatt Am 5. Mai 1960 sagte das KWB auch die Kosten für den Uferausbau zu. Aber die Zeiten ändern sich, das deutsche Wirtschaftswunder sorgte für eine immense Zunahme der Motorisierung, sodass das Interesse an einer berufsbedingten Fährverbindung stetig nachließ.

Die Gemeinde Wyhlen verlor das Interesse und legte den Vorgang ad acta, bis der neue Gemeindepräsident von Pratteln, Walter Kohler, wieder frischen Wind in den Vorgang brachte. Man trat in Verhandlungen mit Grenzach ein, das bereits ein Fährboot besaß, um die Zustimmung zu einer Mitbenutzung durch Pratteln und Wyhlen zu erreichen. Dies gelang und so waren eigentlich die Voraussetzungen für einen Rundbetrieb Grenzach-Muttenz-Pratteln-Wyhlen geschaffen, der am Wochenende und Mittwochs umgesetzt wurde.  An den andern Tagen wurden nur die direkten Verbindungen verwirklicht.